Medizinische Forschung

Studienarten & Studienphasen

Medizinische Forschung ist ein fortlaufender Prozess, der darauf abzielt, die Sicherheit und Wirksamkeit von Behandlungen zu verbessern. Studienarten und -phasen spielen dabei eine zentrale Rolle, indem sie den wissenschaftlichen Rahmen für die Untersuchung neuer Ansätze in der Patientenversorgung vorgeben.

Präklinische Forschung

Durch die Untersuchung der an der Krankheitsentstehung beteiligten Faktoren und Prozesse wird in der präklinischen Forschung versucht, Angriffspunkte, sog. Targets für mögliche korrektive bzw. später therapeutische Eingriffe zu finden. Oftmals basieren derartige Entdeckungen auf Zufallsfunden (prominentes Beispiel wäre hier die Entdeckung des Penicillins durch Alexander Fleming), meist aber auf Ergebnissen des kontrollierten Zufallsprinzips. Mittels kombinatorischer Chemie werden hierbei tausende neuer Verbindungen synthetisiert und dann mit Hochdurchsatz-Technik nach Verbindungen mit der gewünschten Wirkung gesucht.

Der präklinische Abschnitt der Entwicklung dauert bis zu 10 Jahren. Nur wenige Substanzen erweisen sich als geeignet und schaffen es bis ins nächste Stadium, die klinischen Studien.

Klinische Forschung

PHASE 0

Phase-0-Studien dienen der Untersuchung der pharmakokinetischen Eigenschaften wie Aufnahme, Verteilung und Verstoffwechslung eines neuen Wirkstoffes beim Menschen. Hierbei werden sehr geringe Dosen, sog. „Microdosing“ des Wirkstoffes, die weit unter der Schwelle einer pharmakologischen Antwort liegen an Probanden getestet.

Phase-0-Studien sind gesetzlich nicht vorgeschrieben, da für Phase-0-Studien aber nur wenige präklinische Studien erforderlich sind, können hierbei mehrere Wirkstoffkandidaten relativ schnell getestet werden, wodurch sich die Erfolgsrate bei den darauf folgenden klinischen Studien erhöhen soll.

PHASE 1

Im Rahmen einer Phase-I-Studie werden die Wirkstoffkandidaten erstmalig an Freiwilligen (sog. Probanden), zumeist jungen gesunden Männern, getestet. Das Hauptziel liegt hierbei zunächst in der Evaluation der Verträglichkeit und Sicherheit des Medikaments, nicht in der Wirksamkeit.
Ausgenommen hiervon ist die Behandlung schwerer Erkrankungen, bei der mit erheblichen Nebenwirkungen zu rechnen ist, wie z.B. Zytostatika. An der Erforschung derartiger Behandlungen dürfen nur Patienten teilnehmen, für welche die neue Behandlungsmethode potentiell eine Chance darstellt.

Aus den Ergebnissen der Phase-I-Studien entwickeln Galeniker die Darreichungsform (z.B. Tabletten, Injektionslösungen u.ä.) mit der aus dem Wirkstoff das eigentliche Medikament wird.

PHASE 2

Im Rahmen von Phase-II-Studien wird der Wirkstoffkandidat erstmalig an Patienten mit der Zielerkrankung eingesetzt.

Hierbei soll geprüft werden, ob sich der gewünschte therapeutische Effekt einstellt (Wirksamkeit), welche Nebenwirkungen auftreten (Verträglichkeit) und welche Dosierung am erfolgversprechendsten ist (Dosisfindung)

Phase-II-Studien werden in zwei Gruppen unterteilt:
Phase-IIa-Studien dienen der Überprüfung des Therapiekonzepts („Proof of Concept“)
Phase-IIb-Studien dienen der Findung der geeigneten Therapiedosis („Dose Finding“)

PHASE 3

Phase III-Studien werden auch als „Pivotal Studies“ (aus dem engl.= ausschlaggebende/ entscheidende Studien) bezeichnet, da nach einem positivem Abschluss dieser Phase das Arzneimittel (nach entsprechender Antragstellung) die Zulassung erhalten kann. Während Phase I und Phase II-Studien nur an kleineren Patientenkollektiven durchgeführt werden können, werden in Phase III die Studienan bis zu mehreren Tausend Patienten durchgeführt. Ziel ist es herauszufinden, ob sich die Wirksamkeit und die Unbedenklichkeit auch bei vielen unterschiedlichen Patienten mit unterschiedlichen Begleiterkrankungen und -Medikamenten bestätigen lässt („Proof of Concept of Clinical Efficacy and Safety“).

Ebenfalls unter die Bezeichnung Phase-III-Prüfungen fallen Untersuchungen mit bereits zugelassenen Arzneimitteln bei einer bis dahin noch nicht zugelassenen Indikation oder mit bekannten Wirkstoffen in einer neuen Darreichungsform oder neue Kombinationen.

PHASE 4

Als Phase-IV-Studien werden klinische Studien mit bereits zugelassenen Medikamenten bezeichnet. Sie dienen der weiteren Risiko-Nutzen-Abschätzung an einem großen Patientenkollektiv und/oder speziellen Patientengruppen unter näherem Praxisbezug.
Sehr seltene Nebenwirkungen (Auftreten bei weniger als einem von 10.000 Patienten) können in Studien der Phasen I bis III meist nicht festgestellt werden. Erfahren die Hersteller der Substanzen von Nebenwirkungen oder Zwischenfällen bei der Anwendung durch behandelnde Ärzte sind sie verpflichtet, diese den Arzneimittelbehörden mitzuteilen und für die Sicherheit der Patienten aktiv zu werden. Im Falle größerer Risiken unterrichten die Hersteller in enger Abstimmung mit den Behörden über ein Schnellwarnsystem („Rote-Hand-Briefe“) die Ärzte und Apotheker.

NICHTINTERVENTIONELLE STUDIEN (NIS)

Nichtinterventionelle Studien werden im Gegensatz zu den klinischen Studien der Phasen I bis III in der Regel zu bereits zugelassenen Medikamenten durchgeführt und könnten unter dem Begriff „Therapiebeobachtung“ (egal ob prospektiv oder retrospektiv) zusammengefasst werden. Im Rahmen von nichtinterventionellen Studien werden Erkenntnisse aus der Behandlung von Patienten gemäß der in der Arzneimittelzulassung festgelegten Angaben analysiert. Weder die Therapieentscheidung noch die Behandlung oder Diagnose folgen einem festgelegten Protokoll, wodurch viele Parameter, die in der ärztlichen Praxis eine Rolle spielen (bspw. Begleitmedikationen, Zuverlässigkeit der Einnahme durch den Patienten) explizit beobachtet werden können. Während Klinische Studien von einer Ethikkommission zustimmend bewertet und von den zuständigen Behörden genehmigt werden müssen,  müssen nichtinterventionelle Studien den zuständigen Behörden lediglich angezeigt werden, vor dem Beginn der Studie ist jedoch eine Beratung durch eine Ethikkommission notwendig. Zu den nichtinterventionellen Studien zählen auch  Anwendungsbeobachtungen (AWB) und Registerstudien.